Jahr 2. Tag 14
Ich habe mal wieder ... Jesses Todestag hat mich mal wieder mit einem Vorschlaghammer erwischt. Ich baue immer weiter ab. Es tut weh. Die feine Klinge in meinem Herzen macht sich mehr als deutlich bemerkbar. Ich versuche weitestgehend über den Tag zu kommen. Doch es ändert nichts.
Genau genommen, bin ich eigentlich nur noch anwesend und funktioniere. Heute mußte ich meine Physio abmelden, weil ich gerade ebenso zurück in die Wohnung gelangt bin. Die Beine verloren spürbar an Kraft und drohten mir immer wieder unter dem Körper wegzubrechen. Nur meine Willenskraft sorgte dafür, daß ich mit meinem Körper nicht irgendwo in der Stadt (vor "meiner" Bank, am BHF oder ... ). Ich schleppte mich mit hängendem Kopf, einer Klinge im Herzen, Tränen in den Augen und einen an Kraft verlierenden Körper einmal durch die Innenstadt zu meiner Apotheke die mich mit Inkontinenzmitteln versorgt und wieder den ganzen verdammten langen Weg zurück. Wieso muß ich auch soweit weg wohnen? Nein, eigentlich zentral. Ich dachte immer wieder an Jesse, wie sehr sie mir fehlt. Es schmerzt einfach nur noch. Auf dem Rückweg kam mir dann eben in den Sinn, daß ich nur noch funktioniere, mehr nicht. Verloren ... Du ... hast mir jeden Tag die Kraft gegeben, die ich brauchte. Einen Sinn, der mich aufrecht hielt ...
von Hans Kruppa
Erinnerungen
Was Du erlebt hast,
kann Dir niemand mehr nehmen -
das sagt man.
Aber niemand kann es Dir
wiedergeben, wiederbeleben -
das unterschlägt man.
Erinnerungen sind tote Erlebnisse,
die nur durch die Kraft
unserer Sehnsucht nach ihnen
zeitweilig ein Scheinleben bekommen -
selbstgemachte emotionale Gespenster
die sich in Luft auflösen,
wenn wir Leben von ihnen verlangen.
Etwas düster, aber etwas passenderes habe ich in dem Buch "In Deiner Nähe" nicht gefunden. Es kommt dem vlt. ein wenig Nahe. Ein Geist, ein Schatten ... mehr gibt es nicht. Wozu auch?
Und dann habe ich an Stephanie gedacht. Als wäre die Trauer, die Klinge in meinem Herzen nicht schon genug, muß ich dem Ganzen noch mit ihr einen draufsetzen. Eindeutig masochistisch veranlagt, etwas anderes kann ich dazu nicht schreiben. Ob sie mich überhaupt noch erkennen würde? Nein, aber ich sie - zu 100%. Dafür brauche ich kein Foto oder was auch immer. Ihr Gesicht ist unauslöschlich ... Außer ein mentales Hi würde sie jetzt ohnehin nicht mehr kriegen, denn danach würde ich mit gesenktem Kopf und Blick weitertrotten. Meine Sachen erledigen und wieder zurück schleichen.
Ich merke heute die Kratflosigkeit irgendwie besonders stark. Es ist einfach nicht Einfach. Sie war/ist Familie!
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